- #ProstSchG
- #AO
Steuerpflicht
Alle müssen auf Einkünfte Steuern zahlen, auch Menschen in der Sexarbeit. Sollten für sie dann nicht auch die gleichen Rechte gelten, wie für alle?
Gesetzeslage
Wie für jede andere Tätigkeit, so muss auch auf die Einnahmen aus der Prostitution Steuern gezahlt werden! Für einige Menschen in der Sexarbeit ist das völlig klar und normal.
Doch andere verstehen die Welt nicht und glauben sie seien von der Steuerpflicht befreit, weil sie täglich erleben, wie sehr – aus moralischen Gründen – Sexarbeit in Deutschland abgelehnt wird und für sie nicht die gleichen Rechte gelten, wie für andere Steuerzahlende. Sie sagen: Wenn ich nicht die gleichen Rechte habe, wie andere Menschen, dann will ich auch nicht die Pflichten der anderen.
Die nächste Gruppe kommt aus Ländern, in denen Prostitution verboten ist, dort niemand auf die Einnahmen aus der Prostitution Steuern zahlt und sie denken, dass dies in Deutschland ebenfalls gilt.
Die letzte Gruppe ist häufig bildungsfern, so dass sie allein mit der Forderung Steuern zu zahlen überfordert ist und erst recht als selbstständige Sexarbeiterin, wo viel Wissen und Bürokratie für die Steueraufgaben gefragt ist.
Mit der Einführung des ProstSchG ist die Lage für die Behörden klarer und so setzt auch das Finanzamt leichter die Steuerpflicht um.
Sexarbeitende müssen sich bei der Anmeldebehörde registrieren und bekommen dann eine Anmeldebescheinigung (den sog. "Hurenausweis") ausgestellt. Die Anmeldebehörde gibt alle Daten an das Finanzamt weiter (siehe Gesetzestext oben). Gleichzeitig müssen Sexarbeitende sich beim Finanzamt melden und eine Steuernummer beantragen.
Erhält das Finanzamt die Daten nur von der Anmeldebehörde und keine "Anmeldung einer gewerblichen Tätigkeit" von der Person selbst, wartet sie eine gewisse Zeit – meist ca. ein Jahr lang – und schätzt dann die Einnahmen. Anschließend schickt das Finanzamt einen Steuerbescheid auf Basis dieser geschätzen Einnahmen und ggf. zusätzlich einen Bescheid wegen Steuerhinterziehung. In dieser Situation ist es meist schwierig, nachträglich die tatsächlichen Einnahmen und die entsprechenden Ausgaben berücksichtigt zu bekommen.
Neben der Einkommensteuer sind ggf. Mehrwertsteuer, Gewerbesteuer (als Voraussteuer, in den Bundesländern die Pauschalsteuer) und in manchen Städten eine sog. Vergnügungssteuer zu zahlen. Hier wird auch häufig der fehlende Kenntnisstand, vor allem bei in der Sexarbeit tätigen Menschen mit Migrationshintergrund, schändlich ausgenutzt. Statt Hilfe durch Information und Aufklärung über wirklich relevante und wichtige Dinge erfolgt eine Strafe.
Beim Thema Steuern wird auch deutlich, dass die sog. Aliasbescheinigung (§ 5 Abs. 6 ProstSchG), eine besondere Form der Anmeldebescheinigung, wo anstelle des richtigen Personennamens ein Alias verwendet wird, keine echte Aliasbescheinigung ist. Denn auf allen amtlichen und steuerlich relevanten Unterlagen, wie z. B. Quittungen, Rechnungen und andere Belegen, müssen der richtige Name stehen, damit sie als Ausgaben vom Finanzamt anerkannt werden. Das widerspricht auch dem Schutzgedanken der Aliasbescheinigung. So beißen sich das ProstSchG mit der Abgabenordnung (AO).
Viele Sexarbeiter*innen haben unser System nicht verstanden, ihnen ist nicht ausreichend die Steuerpflicht erklärt worden oder nicht wenige stecken "den Kopf in den Sand" und hoffen, dass das Finanzamt niemals auf sie zukommt. Oft sind sie dann von der Steuerforderung immens überrascht und nicht selten sind diese unrealistisch hoch, so dass eine Zahlung unmöglich ist. An diesem Punkt wird deutlich, wie nötig eine Professionalisierung und eine korrekte Aufklärung wäre (statt zu erklären, wie man Kondome benutzt). Doch die ist kaum gegeben. Niemand will hier investieren und dort wirklich helfen, wo der Schuh die Betroffenen drückt. Hier sollte das ProstSchG tatsächlich schützen!
Beispiel
- Eva ist in Bulgarien geboren und kann weder lesen noch schreiben. Neben ihrer Arbeit als Sexarbeiterin besucht sie seit kurzem einen Alphabetisierungskurs. Bei der Registrierung als Sexarbeiterin in der zuständigen Behörde hat sie nicht verstanden, dass sie sich beim Finanzamt anmelden und von ihren Einnahmen Steuern an den deutschen Staat zahlen muss. Nach zwei Jahren erhält sie vom örtlichen Finanzamt einen Steuerbescheid. Dem liegt ein geschätztes Einkommen von 200.000 Euro zugrunde. Zudem wird ihr ein Steuerstrafverfahren angedroht.
Forderungen
- Um Betroffene vor horrenden Steuerforderungen zu schützen, muss die Anmeldebehörde zumindest ein Infoblatt ausgeben. Dieses sollte klare Handlungsschritte und -empfehlungen enthalten, die Steuerpflicht erklären und Stellen angeben, wo die Person sich anmelden und weiter erkundigen kann. Zusätzlich könnte ein solchen Infoblatt anhand anschaulicher Beispiele zeigen, wie z. B. eine einfache Buchführung aussieht und durchgeführt wird, welche Ausgaben angerechnet werden können und wie quittiert werden muss, damit Belege anerkannt werden. Potenziell würde bereits eine Linksammlung auf hilfreiches Informationsmaterial reichen.
- Das Finanzamt sollte wie bei anderen Gewerbetreibenden verpflichtet sein, proaktiv sich bei den Betroffenen zu melden und der Person eine Steuernummer zuteilen, wie es bei jedem anderen Unternehmen üblich ist. Es soll seiner Auskunfts- und Informationspflicht nachkommen und ein Informationsblatt mit einer Aufklärung über die Steuerpflicht sowie allgemein Informationen zu den Rechten und Pflichten als steuerzahlende Person beifügen.