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Sperrbezirksverordnung
Sperrbezirksverordnungen sind nicht mehr zeitgemäß. Warum ist diese veraltete Rechtspraxis allein aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch?
Gesetzeslage
Diese Regelung schränkt die Geschäftsfreiheit für sexuelle Dienstleistungen und Prostitutionsstätten ernorm ein, denn in Sperrbezirken sind diese verboten. Bei Verstoß drohen hohe Bußgelder.
Während Prostitution in Deutschland grundsätzlich erlaubt ist, kann eine Sperrbezirks-Verordnung aufgrund der Ermächtigungsgrundlage von Art. 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) die Ausübung der Prostitution zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes verbieten, und zwar für:
- ein ganzes Stadtgebiet oder einen Stadtteil
- öffentliche Straßen
- bestimmte Tageszeiten
In privaten Räumen und hinter geschlossenen Türen von Prostitutionsstätten hat "die Jugend" keinen Zutritt und kann/muss auch nicht geschützt werden. Der öffentliche Anstand, also Allgemeinwohlbelange spielen hier keine Rolle.
Sperrbezirksverordnungen sind Relikte aus einer längst vergangenen Zeit. Sie sind nicht mehr zeitgemäß, oft undurchsichtig, unklar und zudem unverhältnismäßig im Kontext der Rechte des Einzelnen und des gesamten Sexarbeitsgewerbes.
Die jeweiligen Sperrbezirksverordnungen haben eine erhebliche Auswirkung auf die Ausübung der Prostitution und die Berufsfreiheit der Sexarbeiter*innen dar. Sie schränken die Arbeitsmöglichkeiten der Betroffenen ein und haben Einfluss auf ihre rechtliche Situation. Sie können nur in bestimmten Bordellen arbeiten, die meist weit abgelegen, oder riskieren auf der Straße ständig von Polizei und Ordnungsbehörden verfolgt und mit einem Bußgeld bestraft zu werden. Dies ist ein Verstoß gegen Art. 12 GG, den Schutz der Berufsfreiheit.
Für die Bordellbetreiber*innen stellen sie eine enorme Auswirkung auf die Gewerbefreiheit dar. Es droht eine Konzentration von Prostitutionsstätten auf kleine, meist ungünstig zu erreichende, und fern der Innenstädte und einer entsprechenden Infrastruktur abgelegene Stadtteile. Die Folgen sind meist:
- ein "negatives" Image für die Nachbarschaft, was meist das Niveau des Standorts senkt und damit Einfluß auf den Wert der dortigen Objekte hat.
- eine Einschränkung des Wettbewerbs
- ein Preisanstieg für diese Objekte
Für bestimmte Kunden, die nicht mobil sind, bedeuten Sperrbezirksverordnungen tatsächlich, sexuelle Dienstleistungen nicht in Anspruch nehmen zu können, was einer Verhinderung ihres Rechts auf Sexualität und menschliche Nähe gleichkommt.
Berlin und Rostock bilden eine rühmliche Ausnahme zu allen anderen Städten und Kommunen: Sie haben sich immer wieder gegen die Einrichtung von Sperrbezirken entschieden und ausgesprochen.
Das Argument der Polizei und zunehmend auch der Ordnungsbehörden, eine Konzentration der Prostitutionsstätten mache ihnen die Arbeit leichter, weil große Anfahrtswege wegfallen, kann nicht akzeptiert werden und ist mit der großen Einschränkung von Grundrechten nicht aufwiegbar. Schließlich konzentrieren wir auch nicht Kneipen, Bars und Restaurants auf einen Bezirk, damit das Gesundheitsamt für Kontrollen und die Polizei für Einsatze, z. B. bei einer Kneipenschlägerei, "keine großen Anfahrtswege" hat. Andere Gewerbe sind häufig über die Stadt verteilt und werden trotzdem ordnungsbehördlich überwacht und kontrolliert. Bei vielen Gewerben wird es sogar forciert, dass diese verteilt sind.
Während der Corona-Pandemie war die Situation besonders dramatisch: Sexarbeiter*innen, die die Bordelle verlassen mussten, weil diese geschlossen waren, verloren ihren Arbeitsplatz und meist auch ihren Schlafplatz. Weil sie meist keinen Anspruch auf Sozial- und Corona-Leistungen hatten, mussten sie weiterhin der Prostitution nachgehen, um Einkommen zu akquirieren und überleben zu können. Dazu wurden sie von der Polizei gejagt und erhielten Bußgelder und Platzverweise wegen des Verstoßes gegen die Corona-Verordnung und gegen die Sperrbezirksverordnungen.
Sperrbezirke sind heute ein Anachronismus, ein Relikt aus einer vergangenen Zeit und sind mit den Gegebenheiten einer aufgeklärten, freiheitlichen und rechtebasierten Gesellschaft nicht vereinbar. Sie stellen eine rechtswidrige Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG dar.
Beispiele
- Senioreneinrichtungen liegen oft in Sperrbezirken. Rein juristisch dürfen Bewohner hier keine Sexarbeitenden empfangen. Auch die Einrichtung oder die Pflegekraft, der bei der Vermittlung einer Sexualassistenz helfen will, macht sich strafbar.
- Lizzy (Sexarbeiterin): "Ich wohne in München außerhalb des Sperrbezirkes und biete Haus- und Hotelbesuche an. Wenn ein Kunde oder ein Hotel innerhalb des Sperrbezirkes liegt, darf ich ihn nicht besuchen - ansonsten droht ein Bußgeld."
- Max (Sexarbeiter): "Ich stehe gern in den Straßen rund um den Frankfurter Bahnhof, weil ich dort bequem mit der Bahn hinkomme, ich dort sicher immer Kunden finde und nach der Arbeit auch Drogen kaufen kann, die ich dann zuhause konsumiere. Aber ich riskiere hier immer von der Polizei angesprochen zu werden. Dann bekomme ich ein Bußgeld und einen Platzverweis. Das ist für mich ärgerlich und teuer. Aber welche Alternative habe ich? Es ist ein blödes und unwürdiges Katz- und Mausspiel."
Forderung
- Alle Sperrbezirke gehören abgeschafft - ersatzlos.