- #ProstSchG
Prostitutionsstätten
Prostitutionsstätten sind verschieden und haben unterschiedlichste Anforderungen, doch für alle gelten die selben Regeln. Wieso eigentlich und wem nützt das?
Gesetzeslage
Der Begriff "Prostitutionsstätten" wurde als Oberbegriff extra für das ProstSchG eingeführt und definiert. Vorher hatte sich zuletzt – durch diverse Gerichtsverfahren – der Begriff "prostitutive Einrichtung" etabliert.
In der Sexarbeitsbranche werden eher bestimmte, deutlich differenziertere Begriffe verwendet, z. B. Wohnungsbordell, Apartment, Club, Studio, Massage/Tantra-Institut, Laufhaus, FKK-Club, Wellness-Oase, Bar (mit Video und/oder Tanzstange), Straßenstrich, Absteige/Stundenhotel, Escort, Haus- und Hotelbesuche. Die Begriffe werden regional unterschiedlich verwendet. Als Oberbegriffe hört man oft Bordell oder Puff.
Der neue und von der Politik entwickelte Begriff "Prostitutionsstätte" ist zwar nicht problematisch (außer, dass er ohne Beteiligung der Branche entwickelt wurde), aber er verschleiert die Vielfältigkeit der Branche und die einzelnen besonderen Betriebsformen.
So gibt es kleine, unauffällige verborgene Prostitutionsstätten, quasi in einem Wohnhaus mit einer Größe von ca. 70 qm, und große Laufhäuser mit mehreren Etagen oder FKK-Wellnessoasen von mehr als 4.000 qm. Es sollte für jeden einleuchtend sein, dass ein Wohnungsbordell mit zwei Arbeitszimmern andere Anforderungen erfüllen sollte als ein großes Laufhaus mit 100 Arbeitszimmern.
Problematisch daran ist, dass aktuell Mindestanforderungen (§ 18 ProstSchG) und sonstige Voraussetzungen für alle gleich ausfallen und keine Differenzierung von der Größe und der Betriebsart her vorgenommen wird. Damit wird der Vielfältigkeit und den unterschiedlichsten Anforderungen der verschiedenen Prostitutionsstätten nicht Rechnung getragen und vor allem kleine Betriebe und Einzeldienstleistende stark benachteiligt. Das stellt einen intensiven Eingriff in die Freiheit der Unternehmer*innen dar und in deren Grundrecht der freien Berufswahl und -ausübung, wozu auch der Ort der Berufsausführung gehört.
Zusätzlich werden so teilweise zahlreiche Probleme geschaffen, statt diese zu beseitigen. Dies ist nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst bedenklich, sondern kanibalisiert den Schutzgedanken des Prostitutiertenschutzgesetzes, da es Vulnerabilitäten schafft.
Hier lohnt sich zum Vergleich ein Blick in die Hotellerie-Branche, die mit einer ähnlichen Vielfalt (von kleinen Pensionen über Ferienwohnungen, Wellness- und Tagungshotels bis hin zu Anlagen mit 1.000 Betten und mehr) aufwartet. Das Gewerberecht hat diesem Fakt immer Rechnung getragen und differenzierte Anforderungen erhoben.
Die hier dargestellten Zahlen basieren auf einer Schätzung aus dem Jahre 2016 - gefertigt für den "Runden Tisch Prostitution Niedersachsen".
Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlicht seit dem Inkrafttreten des ProstSchG regelmäßig zum Ende des Jahres die Anzahl der erteilten oder vorläufigen Erlaubnisse von Prostitutionsstätten (neben der Anzahl der angemeldeten Sexarbeiter*innen):
- 2023: 2.312 Gewerbe
- 2022: 2.310 Gewerbe
- 2021: 2.290 Gewerbe
- 2019: 2.170 Gewerbe
Das Statistische Bundesamt spricht zunächst allgemein von Gewerben und differenziert dann zwischen:
- Prostitutionsstätten: 92 %
- Prostitutionsvermittlung: 5 %
- Prostitutionsfahrzeuge und –veranstaltungen: 3 %
Somit sind rund 9 von 10 Gewerben Prostitutionsstätten.
So vielfältig die einzelnen Prostitutionsstätten sind, gibt es eine gemeinsame Basis. Überall werden sexuelle Dienstleistungen angeboten.
Einen gravierenden Unterschied macht die jeweilige Abrechnungsart aus:
- Sexarbeiter*innen zahlen an die Betreiber*in eine Tages- oder Wochenmiete (z. B. im Laufhaus, Fenster oder in Terminwohnungen) für die Nutzung der Einrichtung. Hier können sie dann schalten und walten und ihre Arbeitszeiten, ihre Dienstleistungen und ihre Preise selbst bestimmen. Sie agieren gegenüber dem Kunden völlig autonom und der gesamte Verdienst geht in ihre Tasche. Ein großes wirtschaftliches Risiko liegt bei der Sexarbeiter*in: Hat sie nichts verdient, muss sie dennoch die Miete und ihre sonstigen Kosten zahlen. Dagegen kann sie ihre Einnahmen besser steuern und profiert ggf. auch mehr von diesem Abrechnungssystem.
- Kunden zahlen an die Betreiber*in für die Nutzung des Arbeitszimmers (z. B. in Wohnungsbordellen oder Clubs) eine gewisse Miete und zahlen parallel an die Sexarbeiter*in das mit ihr vereinbarte Honorar für die sexuelle Dienstleistung. Hier liegt der Großteil des wirtschaftlichen Risikos ausschließlich bei der Betreiber*in. Die Sexarbeiter*in trägt dagegen meist nur einen überschaubaren Preis für Kaffee, Wäsche, Arbeitsutensilien, indirekte Werbung, etc.
- In einigen Prostiutionsstätten erfolgt eine prozentuale Aufteilung des Kundenhonorars: z. B. 50/50 %, 60/40 % oder 70/30 %. Die Aufteilung ist meist davon abhängig, welche Kosten die Betreiber*in ansetzt. Kosten der Unterhaltung und z. B. Werbung und Fahrdienste. Die Gerichte haben schon vor langer Zeit entschieden, dass eine Aufteilung von 50 % für die Bordellbetreiber*in und 50 % für die Sexarbeiter*in das maximale ist.
Beispiele
- Isabell (Sexarbeiterin): "Ich habe all meine Erfahrungen als Sexarbeiterin in mein eigenes Geschäft gesteckt. Ich wollte es anders und besser machen, als ich es vorgefunden hatte. Daraus ist ein kleines, sehr privates und intimes Wohnungsbordell geworden mit sechs Arbeitszimmern."
- Sabrina (Sexarbeiterin): "Im Laufe meiner sicher mehr als 30-jährigen Karriere als Sexarbeiterin habe ich alle Arbeitsorte kennengelernt, vom kleinen Bordell über die Straße, im Escort bis hin zum Laufhaus und der Bar oder das SM-Studio. Dies machte ich zum Teil aus Abenteuerlust. Aber ich war auch immer neugierig, ob ein anderer Arbeitsplatz mir besser gefallen oder mehr Einnahmen bringen könnte. Es war eine spannende Reise."
- Nicole (Sexarbeiterin): "Für mich war es immer wichtig, in der Nähe meiner Wohnung meinen Arbeitsplatz zu haben. Ich wollte eine klare Struktur: Fünf Tage arbeiten, von 10:00 bis 17:00 Uhr. Und ich wollte eine angenehme Atmosphäre und gute Kolleg*innen. Nachdem ich in meiner Stadt zwei bis vier Bordelle ausprobiert hatte, habe ich das Richtige für mich gefunden. Jetzt arbeite ich hier schon seit mehr als fünfzehn Jahren."
- Susi (Sexarbeiterin): "Jede Zeit hat seinen Arbeitsplatz. Als junge Frau bin ich gern gereist, war viel unterwegs – auch im europäischen Ausland –, habe Party gemacht und viele andere verrückte Sachen. Heute bin ich ruhiger und biete nur noch einem ausgesuchten Kundenkreis meine Dienste im Escort an."
- Victoria (Sexarbeiterin): "Ich arbeite nur zwei Monate im Jahr als Sexarbeiterin. Dann fliege ich aus meiner Heimat Bulgarien nach Deutschland, wo ich immer wieder die gleichen Adressen buche und dort ein oder zwei Wochen arbeite. Wenn eine Adresse sich verändert oder für mich nicht mehr gut läuft, streiche ich sie in meiner Liste und suche dann nach einer neuen Adresse. Hier höre ich auf die Tipps von Kolleginnen."
Forderungen
- Die Diversität der Prostitutionsstätten muss zur Kenntnis genommen und ihren unterschiedlichen Anforderungen – wie auch bei anderen Gewerben – rechtlich Rechnung getragen werden.
- Das ProstSchG muss der Vielfalt von Prostitutionsstätten Rechnung tragen. Das fängt beim Namen an und hört bei den Voraussetzungen für den Betrieb einer Prostitutionsstätte und den einzelnen Erfordernissen auf.
Links & Quellen
- Gute Geschäfte - das ABC des ProstituiertenschutzgesetzesDie Broschüre führt alle Regelungen des ProstSchG auf - sowohl für die Bordellbetreiber*innen als auch die Sexarbeiter*innen. Sie steht in mehreren Sprachen zur Verfügung.https://www.bsd-ev.info/publikationen/