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Notrufsystem
Notrufsysteme sind sinnvoll für den Schutz, doch für die verschiedenen Prostitutionsstätten gelten die gleichen Mindestanforderungen. Das ist problematisch.
Gesetzeslage
Für alle Arten von Prostitutionsstätten und alle Größen gelten die gleichen Mindestanforderungen. Beim Thema „sachgerechtes Notrufsystem“ wird diese Regelung problematisch. Es stellen sich zwei Fragen:
- Was ist ein sachgerechtes Notrufsystem?
- In welchem Umfang muss es vorhanden sein?
In großen Laufhäusern gab es quasi schon immer ein Notrufsystem: im Arbeitszimmer, meist am Bett, war ein Schalter/Druckknopf angebracht. Betätigte man ihn, wurde im Security-Raum oder im Büro ein Alarm ausgelöst und an einer Leuchttafel konnte man die Zimmernummer ablesen, wo dieser ausgelöst wurde. Entsprechend stürmte das Sicherheitspersonal zum Zimmer und überprüfte die Situation.
Betätigte die Sexarbeiterin oder der Kunde unbeabsichtigt den Knopf, weil dieser ungünstig angebracht war und man bei Aktivitäten auf dem Bett damit in Kontakt kam, hatte man mit einem Donnerwetter des Sicherheitspersonals zu rechnen. In Einzelfälle wurde ein Strafgeld erhoben.
Bars und Wohnungsbordelle verzichteten auf solch ein Sicherheitssystem, weil es für die Sexarbeiterin leichter war, um Hilfe zu rufen als mit der Hand an diesen Knopf zu kommen. Übergriffige Kunden wussten im Zweifelsfall vom Sicherheitsschalter und achtete genau darauf, die Sexarbeiterin davon fern zu halten. Kolleg*innen waren meist in der Nähe, im Aufenthaltsraum oder im Zimmer nebenan und reagierten sofort, wenn ungewöhnliche Geräusche oder sogar Rufe zu hören waren. Auf die Kollegin verließ man sich lieber als auf ein fehleranfälliges technisches System.
Das ProstSchG ließ die Frage, was ein „sachgerechtes Notrufsystem“ ist, unbeantwortet. So musste sich jede einzelne Ordnungsbehörde in jeder Stadt und jedem Bundesland selbst damit befassen – wollte aber keineswegs die Verantwortung dafür übernehmen. Auch war die Sicherheitsbranche nicht auf diese Aufgabe vorbereitet und es wurden zunächst kaum Lösungen angeboten.
Es kam so zu skurrilen Abläufen bei der Bearbeitung der Erlaubnisse für Prostitutionsstätten und zu ungerechten, überteuerten Forderungen.
Beispiele für ein „sachgerechtes Notrufsystem“:
Der Notrufschalter am Bett in der Villa Deluxe/Freiburg.
Funkklingel im Freudenhaus Hase/Berlin.
Das gesamte Funkklingel-Notrufsystem im Freudenhaus Hase/Berlin besteht aus den Klingeln und einer Empfangszentrale, die dann die Zimmernummer anzeigt und für jedes Zimmer eine eigene Melodie abspielen kann.
Dieser drahtlose Notfallknopf wird gern im Escort eingesetzt.
Der Ablauf gestaltet sich folgendermaßen:
- Die Sexarbeiterin trägt den Notfallknopf in ihrer Handtasche.
- Bei Gefahr für Leib und Leben drückt sie den Knopf.
- Der Alarm geht auf den Agenturhandys ein.
- Die Hotelrezeption wird von der Agentur angerufen und von dort wird jemand auf das Zimmer geschickt.
Beispiele
- Ein Haus mit drei Terminwohnungen (Apartments) in Hof stellte technisch sicher, dass wenn eine bestimmte Taste auf dem jeweiligen Festnetztelefon gedrückt wurde, der Betreiber sofort auf seinem Handy den Notruf bekam. Er wohnte in unmittelbarer Nähe und hätte sofort kommen können. Außerdem ertönte im Hausflur ein lautes Signalgeräusch, das von den anderen Sexarbeiter*innen gut zu hören war. Auch die wären sofort zur Hilfe geeilt. Damit war die Behörde nicht zufrieden und verlangte den Abschluss einer Sicherheitsvertrages mit der nächst gelegenen Sicherheitsfirma in Bayreuth (ca. 100 km entfernt). Diese Sicherheitsfirma ruft im Notfall die Hofer Polizei an, denn sie sind ja zu weit weg. Doch die Hofer Polizei kann im Notfall eventuell nicht kommen, weil ihre beiden Einsatzfahrzeuge bereits anderweitig im Einsatz sind. Alle Bemühungen und Gespräche der anderen Prostitutionsbetriebe in Hof führten zu keinem Erfolg: die Behörde verlangte den Abschluss dieses Sicherheitsvertrages mit Kosten von ca. 100 Euro pro Monat. Kosten für Nichts, denn im Notfall musste man sich doch auf den Betreiber sowie das anwesende Personal und die Kolleginnen verlassen.
- Im Escort griff man auf spezielle Notrufarmbänder zurück. Die Sexarbeiter*in trägt sie wie eine Uhr am Handgelenk, wovon sie kaum zu unterscheiden sind. Im Notfall betätigt sie einen Knopf, der einen Alarm auf dem Handy des Betreibers auslöst. Der eilt dann zur Hilfe oder informiert die Polizei oder das Hotel.
- Für kleinere Wohnungsbordelle in Berlin sind sogenannte Funkklingeln akzeptiert. Diese werden ans Bett geklebt. Im Notfall drückt die Sexarbeiterin den Knopf und auf dem Zentralschalter ist durch einen bestimmte Ton oder Melodie sowie dem Aufleuchten einer Lampe zu erkennen, aus welchem Zimmer der Alarm kommt.
- Eine Bar in München mussten insgesamt drei verschiedene Notrufsysteme einbauen. Zunächst waren die Schalter rechts am Bett angebracht. Dafür hatte man Leitungen unter Putz legen müssen – was eine aufwendige bauliche Maßnahme darstellte. Dann hieß es, die Schalter müssten links vom Bett angebracht werden. Also wurde alles umgelegt. Bei der Überprüfung hieß es, dass auch das falsch sei – Verbesserungsvorschläge oder Vorgaben wurden nicht gemacht. Als dann der Sicherheitsschalter an der Tür, neben dem Lichtschalter installiert war, war die Behörde zufrieden und erteilte die Erlaubnis. Fraglich ist, wie die Sexarbeiterin jetzt an den Schalter kommen soll, wenn sie z. B. im Bett festgehalten wird. Stattdessen wird der Lichtschalter jetzt oft mit dem Notrufschalter verwechselt und irrtümlich der Alarm ausgelöst. Sieht so Schutz aus? Kosten für den Betreiber: ~25.000 Euro.
Forderungen
- Im Gesetz muss darauf Rücksicht genommen werden, dass es für bestimmte Betriebsformen kein vernünftiges sachgerechtes Notrufsystem gibt. Das ProstSchG muss Ausnahmen vorsehen.
- Die Behörden sollen sich deutschlandweit auf eine bestimmte, einheitliche Regelungen für ein „sachgerechtes Notrufsystem“ je Betriebsart und Art der Prostitutionsstätte einigen und Empfehlungen an entsprechende Fachfirmen aussprechen. Das schließt nicht nur die Art des Systems ein, sondern auch die Umsetzung, Anbringung und Form der anschließenden, möglichen Hilfe. Dabei müssen Faktoren wie Zeit und Entfernung immer berücksichtigt werden. Regelungen müssen im Sinne der betroffenen Person getroffen werden.