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Kondompflicht
Was soll eine gesetzliche Regelung, die sich nicht überprüfen lässt?
Gesetzeslage
Früher hieß es immer: Dein Körper ist dein Kapital. Deshalb war für jede Sexarbeiterin und jeden Sexarbeiter klar, dass sie (neben anderen Vorsichtsmaßnahmen) auf jeden Fall ein Kondom benutzen. Denn wenn sie erkrankten, konnten sie nicht arbeiten und konnten auch nichts verdienen.
Immer standen sexuell übertragbare Erkrankungen (engl.: Sexually Transmitted Infections = STI`s), HIV/AIDS und auch eine Schwangerschaft im Raum. Kolleg*innen stärkten sich gegenseitig und klärten über eine Kondomnutzung auf:
- Welche Kondomqualitäten gibt es?
- Wo steht das Verfallsdatum?
- Welche Kondome bieten sich für welche sexuellen Praktiken an?
- Welche Kondome haben "Nebenwirkungen"?
- Wie wird ein Kondom benutzt?
- Bei welchen anderen Sexualpraktiken sollte man auch Kondome nutzen?
- Wie überprüfe ich, ob das Kondom richtig sitzt?
- Wie stelle ich sicher, dass das Kondom nicht reißt, platzt, abgerutscht ist oder abgezogen wurde?
Nach der Methode "Learning by doing" wurde die Handhabung eingeübt.
Die Gesundheitsämter und Fachberatungsstellen der Prostitution informierten bei ihrer Beratung ebenfalls darüber, besonders bei der Einstiegsberatung und beim Streetwork.
Doch Sexarbeiter*innen stellten auch immer die Forderung auf, dass Staat, Behörden und Gesellschaft die Kunden (Männer) aufklären und animieren muss, bei sexuellen Kontakten außerhalb einer festen, monogamen Beziehung ein Kondom zum Eigenschutz zu benutzen, denn diese Aufklärung und Motivation der Kunden/Männer wollten sie nicht allein übernehmen.
Nun hat der Gesetzgeber in diesem Paragraphen ein sog. Symbolgesetz geschaffen, dass nicht überprüft werden kann. Denn dafür müssten die Behörden die Sexarbeiter*in und den Kunden in Ausübung des Aktes im geschlossenen Zimmer überraschen, unterbrechen, sie voneinander ziehen und überprüfen, ob das Kondom auf dem Penis sitzt.
Unvorstellbar? Nein, es passiert immer wieder - genau so!
Der Gesetzgeber hat ergänzend festgelegt,
- dass in jedem Arbeitszimmer durch einen Aushang auf die Kondompflicht verwiesen wird (§ 32 Absatz 2 ProstSchG) und
- dass die/der Betreiber*in in jedem Arbeitszimmer eine "angemessene Ausstattung mit Kondomen, Gleitmitteln und Hygieneartikeln" bereitzustellen hat (§ 24 Abs. 2 ProstSchG).
Werden diese Regelungen nicht eingehalten, drohen empfindliche Bußgelder!
Die ein oder andere Sexarbeiter*in ist froh über diese Regelung, denn sie muss jetzt nicht mehr mit dem Kunden über die Kondombenutzung diskutieren und ihn informieren und überzeugen, sondern kann einfach auf das Plakat und das drohende Bußgeld verweisen. Aus pädagogischer und professioneller Sicht ist diese "Vereinfachung" aber problematisch: Sexarbeiter*innen lernen weniger über gesundheitlichen Eigenschutz und üben sich weniger in der Kommunikation mit dem Kunden, um ihre eigenen Grenzen zu setzen.
Aktion der Berliner Gruppe "Arbeitsgemeinschaft Gesunder Kunde" bei der Kunstaktion Strich-Code-Move.
Beispiele
- Martin (Kunde): "Ja, es stimmt: am liebsten erlebe ich den Geschlechtsverkehr und auch das französische Vorspiel ohne Kondom. Aber ich bin verheiratet und besuche auch mehrere Sexarbeiter*innen. Da will ich meine Ehefrau und auch die Sexarbeiter*innen vor Geschlechtskrankheiten, etc. schützen und will auch niemanden schwängern. Also geht es nur mit Kondom."
- Evi (Sexarbeiterin): "Es war für mich immer 100%ig klar, dass ich mit Kondomen arbeite."
- Susi (Sexarbeiterin): "Ich bin doch nicht verrückt ohne Kondom zu arbeiten. Wer weiß, wo der Kunde vorher war und die Krankheit dann zu mir trägt."
- Angelina (Sexarbeiterin): "Ich habe keine Lust, immer und immer wieder die Kunden aufzuklären, wie gefährlich ein sexueller Kontakt ohne Kondom ist. Heute diskutiere ich nicht mehr darüber. Ein Kunde hat das zu akzeptieren."
- Susi (Sexarbeiterin): "Was soll dieses alberne Symbolgesetz? Wir brauchen Gesetze, die uns unterstützen und unsere Realitäten positiv beeinflussen."
- Annabel (Sexarbeiterin): "Wir brauchen Professionalisierung, das heißt auch kommunikativ stark zu sein, Grenzen zu setzen, wozu auch die Kondombenutzung gehören kann."
Forderungen
- Die gesetzliche Kondompflicht lässt sich nicht überprüfen. Sie gehört abgeschafft. Anstelle der Symbolpolitik (womit es sich die Politik leicht macht), ist eine evidenzbasierte Politik unabdingbar.
- Eine allgemeine Information und Aufklärung aller Menschen muss über die Gefahren der fehlenden Kondombenutzung aufklären, genauso wie auch dazu motiviert wird, die Zähne gründlich zu putzen und regelmäßig zum Zahnarzt zu gehen.
- Die Gesundheitsämter sollten mehr Aktionen durchführen, die sich an Kunden – bzw. prophylaktisch an alle Männer – richten, wie z. B. die Aktion Gesunder Kunde in Berlin.
- Insgesamt fehlt es in der Gesellschaft an Informationen und Beratungen über Sexualität im Allgemeinen und über Risiken (Schwangerschaft, Geschlechtskrankheiten - STI`s und HIV/AIDS) im Besonderen. Schon in den Schulen müssten breite Angebote hierzu bestehen.